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How-to: Europas beste Arbeitgeber / Omicron electronics

Wieder in Vorarlberg, dieses mal in Klaus on tour, verschlägt es mich zu Omicron Electronics, einem stark wachsenden Produzent von Prüf- und Diagnoselösungen, die unsere Stromversorgung sicherstellen sollen. In Zeiten von Energiekrise und Strom-Verknappung eine sinnvolle Aufgabe, an der sich rund 1.100 Mitarbeiter*innen begeistert beteiligen. Bestätigt wird das nicht zuletzt 2021 bei der Prämierung zum 12. Platz beim “Great Place to Work” in Europa.

Von der Entwicklung von Messgeräten und -systemen, über Services für Energieversorgungsunternehmen bis zu Cyber Security reicht die komplette Palette an Leistungen, die nach hochqualifizierten Techniker*innen verlangen. Wie schaffte es ein Elektronik-Unternehmen in knapp 40 Jahren von 0 auf über 1000 Mitarbeiter*innen weltweit mit einem jährlichen Umsatz von ca. 200 Millionen zu wachsen? Und das im kleinen Klaus, das (noch) nicht als internationale Metropole und High-Tech-Schmiede bekannt ist.

Hannes Tschütscher, HR-Experte und FH-Dozent.

Alles ist auf Mitarbeitende und die Unternehmenskultur ausgerichtet

Wenn man sich nur die Zahlen ansieht, hat man das Gefühl, die Mitarbeiter*innenanzahl vervielfältigt sich ebenso exponentiell wie die gleichnamige Corona-Virus-Variante seinerzeit. Hannes Tschütscher ist dafür zuständig, dass das Unternehmen weiterhin einer der Great Places to Work bleibt, und zeigt, worum es (bei) Omicron electronics im Grunde geht. Eine Betrachtung der Erfolgs-Ebenen.

Eine Struktur, die für soziale Verantwortung steht.

Mit dem Schritt 2014, die Omicron Stiftung zu gründen, wurde ein Grundstein für die verankerte Kultur im Unternehmen gelegt. Die Stiftung stellt sicher, dass alle Gewinne wieder in das Unternehmen reinvestiert werden und ein Teil davon auch an gemeinnützige Zwecke gehen. Der Unternehmensgründer Rainer Aberer hat zu diesem Zweck den Verein “Crossing Borders” ins Leben gerufen, der bis heute aktiv Bildungsinitiativen für Kinder und Jugendliche in benachteiligten Regionen unterstützt.

Soziale Verantwortung und Innovationsgeist werden aktiv gelebt bzw. werden jegliche Ambitionen dahingehend unterstützt.

  • Jede*r aktive und ehemalige Mitarbeiter*in sowie deren Familienmitglieder können eine aktive Rolle im Verein übernehmen.

  • Zudem haben sie die Möglichkeit, einen Antrag für ein soziales Projekt ihrer Wahl einzureichen und ein unabhängiges Gremium entscheidet individuell, ob das Projekt unterstützt wird.

  • Hannes z.B. hat sich in Afrika vor Ort engagiert und ist noch heute begeistert von den Erfahrungen, die er machen durfte. Der nächste Einsatz ist schon in Planung.

Durch die erfolgreichen Geschäftsjahre konnte man am Stiftungskonto somit auch gerade in den Höchstzeiten der Corona-Pandemie auf ein hohes Eigenkapital zurückgreifen. Das Unternehmen ist sich auch hier der Verantwortung für die Allgemeinheit bewusst und war nicht gezwungen, auf staatliche Unterstützungen wie die Kurzarbeit zurückzugreifen.

Auch der gar nicht enden wollende Benefits-Katalog, auf den alle Mitarbeiter*innen Anspruch haben, lässt sich auf die klare Fokussierung und die in der Stiftung festgelegten Spielregeln zurückverfolgen.

Auch der Pausenbereich fordert heraus. Designt von Dietrich Untertrifaller Architekten mit Materialien aus der Region.

  • Die Belegschaft kommt in den Genuss einer kostenlosen Kantine mit größtenteils heimischen Produkten. Alle, die dieses Mittagsangebot annehmen, sind im Gegenzug dazu verpflichtet, 1x im Monat für 1,5 Stunden Küchendienst zu machen. Keine Ausnahmen. Gemeinschaft geht über alles.

  • Für den Bau des neuen Bürogebäudes wurde bewusst auf Materialien, Dienstleistungsbetriebe, Lieferant*innen und hochwertige Hölzer aus Vorarlberg zurückgegriffen. Die Gebäude wurden von bekannten Architekten bewusst von innen nach außen geplant, sodass auch die Gebäude mit dem Unternehmen natürlich mitwachsen können.

  • Regelmäßig finden Teamevents statt, an denen jeder freiwillig teilnehmen kann. Die Freiwilligkeit ist in dem Fall zu betonen. Es wird auch akzeptiert, wenn jemand nicht regelmäßig teilnimmt, sodass auch hier keine indirekte Verpflichtung zum Mitmachen entsteht.

Kein hierarchisches Denken - jede*r ist gleichgestellt.

Ist das so einfach? Entscheidungen muss doch jemand treffen? Alles agil und so?

Das Unternehmen geht einen immer beliebter werdenden Weg, klassische Hierarchien auszuhebeln und sich in einer selbstverantwortlichen Struktur aufzustellen. Das Spotify-Modell ist noch immer in aller Munde und mittlerweile auch in die klassischen Branchen vorgedrungen. Omicron entwickelte eine Struktur unter ähnlichen Prinzipien. Die Organisation wurde nach einer Coaching-Struktur aufgebaut. Weiterentwicklung wird vorwiegend im Fachbereich ermöglicht, wobei auch je nach Interessen zusätzliche Aufgaben/Rollen zur Weiterentwicklung ermöglicht werden.

  • Jeder Mitarbeitende hat Anspruch auf Coaching-Angebote. Die Themenstellungen sind selbst bestimmt und wenn jemand mehr Verantwortung übernimmt, steht zusätzlich Coaching-Unterstützung zur Verfügung.

Im Großteil der österreichischen Unternehmen ist man nach der Wertschöpfungskette, vom Bedarf, über Produktion und Verkauf, bis zur Nachbetreuung der Kundinnen strukturiert. Bei Omicron hingegen bewusst nach Prozessen. Das klingt komplex, jedoch hat jede*r im Unternehmen Prozess-Verantwortlichkeiten und Rollen, die er zu erfüllen hat. Wieder die optimale interne Ausrichtung, die sich an intern gut funktionierenden Prozessen orientiert.

In den Geschäftsbereichen richten sich die Aufgaben nach den festgelegten Prozessen, etwa in den Tätigkeitsbereichen

  • runInnovation

  • runMarketing&Sales

  • runOperations

aus. Gerade auch bereichsübergreifende Synergien und ein gesunder Erfahrungsaustausch werden durch diese Struktur begünstigt.

Hierarchisches Verhalten wird bewusst nicht unterstützt.

  • Status-Symbole wie Company-Cars oder andere Bevorzugung gibt es nicht. Es werden E-Autos am Firmengelände zur Verfügung gestellt, die jede*r auch privat für einen Kostenbeitrag nutzen kann.

Keine Chefs? Also wer trifft die Entscheidungen? Der gemeinsame Weg ist auch hier der Einzige. Was mitunter zu längeren Diskussionen und Entscheidungswegen führen kann. Kooperativ wird das für das Gemeinsame in Kauf genommen.

Flexible Arbeitszeiten/New Work - ja natürlich, aber auch gerne im Büro.

Mit der Nähe zu Deutschland und der Schweiz ist es gerade für den Standort Klaus wichtig, flexibel zu sein und sich anzupassen. Jedoch nicht zum Preis der Unternehmenskultur. Damit eine solche Gemeinschaft funktionieren kann, ist es gewünscht, auch das Miteinander vor Ort zu pflegen. Omicron setzt alles daran, dass sich Mitarbeiter*innen wohl fühlen und sich auch internationale Kolleg*innen in der Umgebung ansiedeln. Hierfür gibt es maßgeschneiderte Pakete, die zudem auf die Integration im Land abzielen und somit die Diversität in der Organisation fördern.

Notgedrungen haben Unternehmen in Krisenjahren gesehen, dass ganze Bereiche auf Remote Working umgestellt werden können. Dass das Soziale dadurch doch in Mitleidenschaft gezogen wird, wurde allgemein bestätigt. Bei den attraktiven Angeboten am Standort kommen viele Mitarbeitende dennoch gerne ins Büro.

  • 1x wöchentlich kommt der Yogalehrer,  alle 2 Wochen kann man sich die Haare schneiden lassen, MO-FR Massage-Termine einbuchen und auch ein Fitnesstrainer nimmt sich auf Anfrage Zeit.

  • Wenn man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln bzw. umweltschonend ins Büro kommt, darf man für jeden öko-freundlichen Kilometer seine Punkte für zusätzliche Goodies einlösen.

  • Auf Firmenkosten kann man Magazine und Bücher bestellen, die einem auch in der Arbeit weiterbringen und wenn man noch mehr Inspiration benötigt, holt man sich von der Lebenshilfe erstandene Bilder in seinem Büro oder sich Pflanzen für das gewisse Grün. 

Wer bleibt also gerne zu Hause?

Wachstum ist nicht das Ziel, sondern das Ergebnis vom Fokus auf Mitarbeiter*innen und Kund*innen.

Omicron geht es um eine einfache Formel:

  • Mit innovativen Produkten eine sichere Energieversorgung gewährleisten,

  • die Welt zum Besseren zu verändern

  • und ein guter Arbeitgeber zu sein.

Klar, verständlich und ein Ziel, an dem sich jede*r orientieren kann, der mitgestalten will.

1 Ball für deine Idee

Gewinn ist in dieser Formel gleich Einfluss. Die Mittel zu haben, um die Welt zu einer Besseren zu machen, die notwendigen Ideen dafür zu sammeln, ist die Ambition. Damit das möglich ist, setzt man auf kurze Lieferketten und versucht, den Großteil der Wertschöpfung in der Region zu halten. Man ist sich der eigenen Ressourcen bewusst.

So verhält es sich auch mit den Ideen der Mitarbeiter*innen.

Im Hauptgebäude wurde ein Ideen-Barometer für alle sichtbar und zugänglich montiert. Verbesserungsvorschläge zur Arbeit, für das Miteinander, zu den Produkten und der Herstellung können in das Bälle-Barometer eingeworfen werden. Gut gefüllt zeigt, wie groß der Wille und die Motivation ist, mitzuwirken.

Arbeit mit Sinn oder schon Kult(ur)?

Wo sind die Grenzen? Geht diese enge Verbindung schon zu sehr in das Privatleben hinein? Diese Frage stellen sich viele Unternehmer*innen zurzeit. Man will natürlich die starke Mitarbeiter*innenbindung, die ein produktives Zusammenarbeiten ermöglicht. Man erhofft sich, gute Mitarbeiter*innen langfristig halten zu können sowie einen Arbeitsort und Tätigkeiten bieten zu können, die für jeden einzelnen Sinn machen.

Gerade Startups sind der Inbegriff für ein solches Arbeitsumfeld. Gründer*innen wünschen sich ein Team, das für das Produkt oder die Dienstleistung brennt und dabei auch oft auf gesetzliche Arbeitszeitregelungen vergisst. Die Großen schielen nicht umsonst in die Startup-Branche und wünschen sich diesen Einsatz auch für ihre Konzernstrukturen. Kolleg*innen werden zu Freund*innen und das Wort Familie fällt kurz darauf. Doch was passiert, wenn man eines Tages nicht mehr mit dem Zweck des Unternehmens, der Familie, mitgehen kann und möchte? Wenn man in seinen Tätigkeiten doch keinen Sinn mehr erkennt? Man geht raus aus dem System, aus der Familie und fühlt sich dennoch mit den Menschen verbunden und gleichzeitig getrennt. Mit einem Fuß drinnen und doch draußen. Ein ungutes, ja oft ungesundes Gefühl. Die Grenzen zwischen Work und Life zu ziehen, schafft gerade die Generation Z(ukunft) besser, die die Life-Life Balance zur Erhaltung der eigenen Gesundheit vorzieht. Trotzdem sollte die Tätigkeit für sie sinnvoll sein und man möchte sich positiv an der Gestaltung einer gesunden Umwelt beteiligen.

Wie schafft man es, einen Arbeitsplatz mit Sinn zu bieten und dennoch jedem Einzelnen die freie Entscheidung zu lassen, wo seine Grenzen zwischen Privatem und Beruflichem liegen?

Gehen lassen, wer gehen will. Aber Baby come back!

Omicron weiß, dass sie nicht immer für jeden oder jede eine langfristig erfüllende Tätigkeit bieten können. Die Tür ist aber nie zu, sondern nur angelehnt und man kann sich über Tür und Angel dennoch über Möglichkeiten informieren. Das HR Team hat ein “Baby come Back”-Programm ins Leben gerufen, das es ehemaligen Mitarbeiter*innen ermöglicht, niederschwellig und mit neuem Sinn zurückzukehren. Man schätzt vorhandene Ressourcen und den Wert von frischem Wissen auch aus anderen Unternehmen. Im Sinne der Nach-haltigkeit.

Ist die Geschichte wahr oder haben wir sie frei erfunden?

Auf die Frage: Arbeitgeber mit Sinn oder doch zu eng gibt es wohl nicht die eine Antwort. Ein gesunder Mittelweg und das subjektive Gefühl des Einzelnen sind entscheidend. Ich erlaube mir kein Urteil. Den Zweck der Existenz des Einzelnen/ einer ganzen Organisation zu erkennen und danach zu leben, gehört für mich zur Königsdisziplin. (Buchtipp: Big Five for Life 1+2)

Links:

Omicron electronics erklärt

Big Five for Life

Das Leben gestalten mit den Big Five for Life