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Lohnt sich Leistung im Jahr 2022 (noch)?/ ein Generationen-Konflikt

“Die Jungen wollen nichts mehr leisten!”
“Leistung muss sich wieder auszahlen!” - tönen 2022 die Stimmen aus der Industrie.

Doch sprechen wir alle vom selben Thema?

Die große Frage um die Leistung.

Für die eine Generation bedeutet es, ins Steuersystem einzahlen, auf ein Eigenheim zu sparen und den Erhalt unseres Wohlstandsstaats. Für die Generation, die derzeit ins Arbeitsleben drängt, ist klar, man kann auch mit weniger und effizient getakteter Zeit viel, sogar mehr für das gleiche Gehalt leisten. Nur warum verstehen die “Alten” die “Jungen” nicht und umgekehrt ?

Leistung muss sich (wieder) lohnen! Der laute Ruf der Industrie.

Die Lösungsvorschläge reichen von pensionsfähige Arbeitnehmer*innen mit steuerlichen Entlastungen länger im System zu halten, über Überstunden, die höher entlohnt werden sollten. Auch an Anreizen für den Umstieg von Teilzeitanstellungen auf Vollzeit wird gearbeitet. Diese und noch weitere Lösungen sollten den Wandel zurück zu “harte Arbeit zahlt sich aus” bewirken. Aber treffen diese Lösungen die Bedürfnisse jüngerer Generationen wirklich?

Meine Generation stellt sich gerade ganz andere Fragen.

  • Gibt es etwas Lohnenswertes, auf das man derzeit hinarbeiten kann?

  • Gibt es keine attraktiven Aufgaben, mit welchen man die Zukunft mitgestalten kann?

  • Gibt es eine lebenswerte Zukunft für uns?

Was wollen Millennials und Generation Z wirklich?

Eine durchgeführte Umfrage mit rund 70 Teilnehmer*innen ab 1980 geboren, davon ca. 35% männlich und 65% weiblich, spiegelt die Situation derzeit recht eindeutig wider.

Auf die Frage: Worauf arbeitest du derzeit hin? ergibt sich ein Bild, das den Interessenkonflikt am Arbeitsmarkt zeigt.

39% fokussieren sich derzeit auf ihren Lifestyle, also den Teil der Work-Life-Balance, der nicht in das Pensionssystem einzahlt. Freizeit, Hobbys, Reisen und Erlebnisse sind das, was für einen Großteil der (zukünftigen) Leistungserbringer*innen zählt. In Verbindung mit den Krisenjahren, den Einschränkungen, den durchwegs bitteren Nachrichten, die uns überfluten, verwundert es nicht, dass sich viele keine rosige Zukunft ausmalen. Auch Sicherheit (Vorsorgen, Investitionen) steht mit 22% hoch im Kurs. Die Realität, dass wir nicht in den Genuss einer sicheren Pension, wie unsere Eltern und Großeltern kommen werden, trübt den positiven Blick in die Zukunft umso mehr.

Aber ist die Situation/der Ausblick wirklich so verfahren?

Wenn es nichts mehr gibt, worauf man hinträumen und auch hinarbeiten kann, müsste man im Grunde genommen sofort , pardon, den Löffel abgeben. Meine und die kommende Generation sind aber nicht verloren.

Es kommen weniger, dafür gut ausgebildete Menschen auf den Arbeitsmarkt, denen man nur das Träumen und auch die Motivation schon zu früh nimmt. Mit alten Systemen, die nicht mehr zum zeitgemäßen Arbeiten passen. Mit Anreizen und Zielen, die für viele nicht mehr erreichbar sind. Was sich die Generationen lt. Umfrage wirklich wünschen sind:

  • Mehr Fokus auf Interessen und Leidenschaften, weniger die Ausbildung

  • Mehr Fokus auf individuelle Persönlichkeit & Bedürfnisse

  • 4-Tage-Woche, Teilzeit-Optionen, flexible Arbeitszeiten passend zu den Lebensumständen

  • Keine All-In Verträge

  • Wertschätzung von systemrelevanten Berufen und fairen Gehältern

  • Gleichstellende Rahmenbedingungen (Gender-Pay-Gap schließen, Mutter- und Väterschutz, Akzeptanz von Väterkarenz & Papamonat)

  • Beteiligungen am Erfolg (attraktive Modelle die Frauen und Männer ansprechen) 

  • Spannende Projekte, die Mitgestaltung ermöglichen

  • Flache Hierarchien und laufende, offene Kommunikation

Sind diese Ansprüche an Arbeit im Jahr 2022 wirklich so unrealistisch?

Dass sich das mit dem Eigenheim (knappe 16% arbeiten lt. Umfrage darauf hin) in nächster Zeit nicht ausgehen wird, ist den meisten mittlerweile bewusst. Mitunter liegt der Fokus derzeit darauf, eine gute Zeit zu haben, solange es noch möglich ist. Das grundlegende Bedürfnis, Teil von etwas zu sein und auch etwas beizutragen, sollte dieser Generation aber nicht abgesprochen werden. Sie will arbeiten, aber zu Rahmenbedingungen, die zu ihrer Lebenssituation und den Perspektiven passen.

An den grundlegenden Bedürfnissen von uns Menschen ändern auch Generationen nichts.

Wir sind zum Start der COVID-Krise 2020 kurze Zeit ganz an den Beginn der Maslowschen Bedürfnispyramide zurückgefallen (Sicherheit, Grundversorgung s. Bild). Selbstverwirklichung, Anerkennung und Wertschätzung kannten wir jedoch zu gut, um das Gefühl so schnell zu vergessen. Rausgerissen aus dem Hamsterrad hatte man vielfach Zeit zum Nachdenken, wie man sein Leben gestalten will. Man hat viel hinterfragt, ausprobiert und selbstbestimmt nach vorne gedrängt.

Die Grundbedürfnisse des Menschen nach Maslow.

Obwohl sich viele Entwicklungen in der COVID-Krise bewährt haben (flexibles Arbeiten im Home Office, mit weniger Stunden/Woche und in 4-Tage-Wochen), wünschen sich Arbeitgeber die Angestellten wieder zurück ins Büro. Diese Zeit hat uns alle Effizienz gelehrt. Man war mit weniger Meetings, Business Trips und Ablenkungen weit produktiver als davor. Nach den Lockdowns wollte aber auch ein Bruchteil ins Büro zu den Kolleg*innen zurück.

Dass sich eine hybride Form schlussendlich als am geeignetsten durchgesetzt hat, zeigt uns, dass wir durch und durch soziale Wesen sind und auch Beziehungen im Joballtag benötigen. Sozial-Kompetenzen wie Empathie und die Fähigkeit, langjährige Beziehungen aufzubauen, funktionieren nun analog am besten. Unternehmenskultur und Identifikation braucht Zeit, auch wenn digitale Helfer hier sehr nützlich geworden sind. Das Gute aus beiden Welten zusammenzubringen, wird den Generationenkonflikt bzw. die Lücke zwischen “Alt” und “Jung” langsam schließen. Es menschelt auf beiden Seiten. Jedes Individuum hat andere Bedürfnisse und für Unternehmen gilt es frühzeitig herauszufinden, welche das sind. Flexibilität ist gefragt.

Was motiviert im Job (wirklich)?

Man darf auch nicht außer Acht lassen, dass 70% der Befragten derzeit mit den Krisen (COVID, Krieg, Klima, Blackout etc.) und den damit einhergehenden steigenden Kosten für Energie und Lebensmitteln beschäftigt sind. Auch wenn sich knapp 23% mit beruflichen Verbesserungen beschäftigen, dann teilweise auch wieder für mehr Freiheiten (mehr Zeit, weniger Kostendruck) und um eigenständige Entscheidungen treffen können.

Die Umfrage zeigt, dass passend zu Maslows Bedürfnissen auch das marktgerechte Gehalt und klare Ziele (Leadership) zu den Grundvoraussetzungen für Millennials und Gen Z gehören. Ein Team, mit dem man gemeinsam auf eine Vision hinarbeiten kann und Menschen, die die eigenen Werte teilen, beflügeln zudem. Das Zuckerl, wenn all diese Bedürfnisse erfüllt sind, ist dann noch die Möglichkeit, die eigenen Ideen verwirklichen zu können. In diesen kreativen Modus zu kommen, ist für einen Großteil die Kür.

Individualität ist für diese Generationen äußerst wichtig. Das Umfrageergebnis zeigt zudem, dass individuelle Ziele noch vor den Teamzielen kommen. Auf Platz drei sind Beteiligungen am Erfolg (Umsatz, Anteile, Provisionen) zu finden, die auch an die eigene Leistung bzw. eigenen Erfolg gekoppelt sind. Auffallend ist noch, dass im Vergleich mehr Männer durch direkte Beteiligungen motiviert werden. Aber auch hier findet ein Umdenken statt, das nach Systemen, die beide Geschlechter ansprechen, verlangt.

Was die Unternehmen nicht freuen dürfte ist, dass Unternehmensziele und die daran gekoppelten Individuellen und Teamziele niemandem einen Anreiz geben, mehr zu leisten.

Was uns dieses Ergebnis (wirklich) zeigen sollte:

  • Einfache und transparente Arten der Beteiligung an den Unternehmenserfolgen sind notwendig.

  • Erstrebenswerte Ziele, die zur Lebensrealität passen, müssen geschaffen werden.

  • Der Mensch und seine Individualität sollte im Mittelpunkt stehen (Leistungs-Baukasten für jedermann schaffen).

  • Unsere Bedürfnisse sind nicht so verschieden, wir sprechen jedoch eine andere Sprache und haben andere Voraussetzungen.

  • Die Identifikation mit der Unternehmensleistung wird vorausgesetzt (Produkte und Dienstleistungen sollten vertretbar sein).

  • Die kleine Sache mit dem Sinn. Wenn die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit nicht verstanden wird, gibt es keine Motivation und keine Produktivität.


Aufeinander zugehen, Empathie für beide Seiten zeigen und Anreize für alle Generationen am Arbeitsmarkt schaffen, wird die Mammutaufgabe werden, die auf jeden Einzelnen, die Industrie, die Politik und auf den Staat in den kommenden Jahren zukommt. Weil (noch) nichts verloren ist.

Mit welchen Zielen holt Ihr Unternehmen kommende Generationen ab? Lassen Sie uns darüber sprechen!
Ich freue mich auf den offenen Diskurs.

Quellen:

Bild: Maslows Bedürfnispyramide https://www.harmonyandyou.de/die-5-grundbeduerfnisse-des-menschen/

Hintergrund:

Anstoß Leserbrief Kleine Zeitung

Leistung muss sich wieder lohnen - Industriellenvereinigung